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Netzwerke

Aus INOVe

(Weitergeleitet von Vernetzungsstruktur)
  
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Worum es geht: Hier wird der Ansatz hergeleitet, die Initiativen der Nachhaltigkeitsbewegung vor Ort zu vernetzen.
Wer sich verbündet, ist gemeinsam stärker

Netzwerke oder Vernetzungsstrukturen dienen dem Ziel, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Initiativen der Nachhaltigkeitsbewegung zu fördern. Es werden Räume geschaffen und gepflegt, in denen die Akteur*innen:

  • Sich begegnen,
  • Ihre öffentliche Sichtbarkeit steigern,
  • Sich gegenseitig unterstützen,
  • Ihre Kräfte bündeln,
  • Gemeinsame Visionen und Strategien entwickeln und
  • Neue Allianzen schmieden.

Beim INOVe-Ansatz liegt der Fokus hierbei auf der Stadt- oder Regionalebene. Der Impuls kommt dabei meistens von einer Initiativgruppe.

Je nachdem, welche dieser Ziele im Vordergrund stehen, lassen sich zwei Netzwerk-Typen unterscheiden: Kommunikationsnetzwerke und Ko-Produktionsnetzwerke. Durch bedarfsgerechte Strukturen und effektive Prozesse kann durch beide Netzwerk-Typen ein größtmöglicher Mehrwert für alle Beteiligten (Synergieeffekte) bei überschaubarem Mehraufwand ermöglicht werden.

Sinn und Zweck

Veränderung: Soll- vs. Ist-Stand

Sinn und Zweck eines jeden Netzwerkes ist es, etwas zu verändern - möglichst zum Besseren. Grundvoraussetzung hierfür die Analyse des Ist-Standes und die Formulierung eines Soll-Standes. Anders ausgedrückt: Am Anfang eines jeden Vernetzungsvorhabens ist es essentiell, den Bedarf der Initiativen zu erfassen und anschließend gemeinsame Ziele zu formulieren.

Der Bedarf nach Vernetzung leitet sich direkt aus den Schwächen der Nachhaltigkeitsbewegung ab. Ergänzend zu diesen allgemeinen Beobachtungen ist es notwendig, den spezifischen Bedarf vor Ort zu erfassen, da sich dieser je nach Kontext und Zusammensetzung der Initiativen unterscheidet. Nur so könnt ihr es schaffen, dass eure Vernetzungsformate bedarfsgerecht sind und von den Initiativen angenommen werden.

Ebenso entscheidend ist es, gemeinsame Ziele zu formulieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Vernetzung zum Selbstzweck wird (oder so wahrgenommen wird) und die Veränderung ausbleibt. Während die Bedarfserfassung von der Initiativgruppe durchgeführt werden kann (unter enger Beteiligung bzw. Befragung der Initiativen), sollten die Ziele von allen gemeinsam formuliert werden. Dadurch sind nicht nur die Ergebnisse besser, sondern die Akzeptanz der Initiativen ist dauerhaft höher, als wenn nur die Initiativgruppe sich die Ziele ausdenkt.

Goldene Regel: Mehrwert > Mehraufwand

Jedes Netzwerk lebt davon, dass die Initiativen sich beteiligen und die Angebote nutzen. Langfristig kann dies nur gewährleistet werden, wenn der (tatsächliche oder empfundene) Mehrwert für die Initiativen größer ist als der Mehraufwand, den sie dadurch haben. Dass Vernetzung immer Mehraufwand ist - besonders am Anfang, aber auch später - lässt sich nicht ändern. Durch gut durchdachte, bedarfsgerechte Strukturen und effektive Prozesse kann der Nutzen die Kosten jedoch mehr als wettmachen. Dabei ist es wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie viel Mehraufwand überhaupt zumutbar ist. So kann abgeschätzt werden, wie aufwendig die Vernetzungsformate maximal sein dürfen.

Ein wichtiger Hebel, den Aufwand für die Beteiligten zu reduzieren, ist die Auslagerung organisatorischer Fragen und Aufgaben. Indem sich ein Kernteam darum kümmert, bleibt bei den Treffen mehr wertvolle Zeit für die inhaltliche Auseinandersetzung und die tatsächliche Vernetzung.

Allgemeine Potentiale von Netzwerken

Netzwerke ermöglichen die "Maximierung von Perspektiven, Kompetenzen und Ressourcen mit Blick auf die Zielerreichung".[1] Hiermit ist die Idee verbunden, "bestehende Angebote zu koppeln und Parallelaktivitäten zu vermeiden, um Synergieeffekte zu erzeugen." Knappe Ressourcen werden dadurch effektiver eingesetzt und es können sogar neue Ressourcen zur Lösungsfindung entdeckt werden. Im besten Fall bieten sich völlig neue Lernzugänge und Handlungsansätze.

Konkrete Potentiale des INOVe-Ansatzes

Abgeleitet aus den Schwächen der Nachhaltigkeitsbewegung

Um der Fragmentierung der Nachhaltigkeitsbewegung entgegenzuwirken, wird die Kommunikation und Koordination der Initiativen untereinander gestärkt. Ziel ist nicht die Vereinheitlichung, sondern die Bündelung des Engagements. Somit gibt es nach wie vor eine Vielzahl an Gruppen; jedoch stimmen sich diese untereinander besser ab, teilen Ressourcen aller Art miteinander (von Material bis zu Wissen und Kontakten) und starten gemeinsame Projekte.

So kommt der Wert der Diversität wirklich zu tragen, indem die Initiativen sich mit ihrer Perspektivenvielfalt bereichern. Anstatt den Blick nur auf das eigene Feld zu werfen (Silo-Denken), werden Verbindungen zwischen den Themen erkannt und entsprechende gemeinsame Ziele und Forderungen entworfen. Dieser Prozess führt dazu, dass die Initiativen mit der Zeit eine gemeinsame Identität teilen. Dies ist der entscheidende Schritt zur kollektiven Handlungsfähigkeit der Nachhaltigkeitsbewegung, um als Zivilgesellschaft einen sozial-ökologischen Wandel maßgeblich voranzutreiben.

Schließlich ermöglicht es die Bündelung der Initiativen, diese in ihrer Vielfalt öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Eine übersichtliche Darstellung (z. B. als Karte oder Kalender) hilft dabei, gemeinsam eine gesteigerte Sichtbarkeit zu erlangen. Interessierte Mitbürger*innen finden somit schnell und einfach die Angebote, die sie interessieren, um sich zu informieren und selbst aktiv zu werden.

Struktur in der Vernetzung

Abgrenzung von temporärer Vernetzung

Dass es in diesem Wiki betontermaßen um Vernetzungsstrukturen geht, hat gute Gründe. Vernetzung kann auch spontan entstehen und dabei über Austausch zur gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit führen. Diese Art der Vernetzung ist daher auch wertvoll, findet aber in den meisten Fällen nur temporär statt und hängt dabei von einzelnen Menschen ab. Beim Aufbau einer Vernetzungsstruktur gilt es hingegen, von Anfang an mitzudenken, wie diese langfristig angelegt sein kann und sich bestenfalls fest vor Ort etabliert. Dazu gehört vor allem, dass die Vernetzung unabhängig von personeller Fluktuation fortbestehen soll. Zwar wird es auch anfangs eine Abhängigkeit von den Mitglieder der Initiativgruppe geben, aber das Ziel sollte sein, dass das Netzwerk mittel- und langfristig von vielen getragen wird. So kann gewährleistet werden, dass euer gemeinsames Werk langfristig Bestand hat und von vielen getragen wird. Nichts ist ärgerlicher, als wenn wunderbare Vernetzungsvorhaben nach einiger Zeit wieder einschlafen, weil Schlüsselpersonen nicht mehr weitermachen können und damit auch ihr Wissen die Gruppe verlässt.

Effektivität und Schnelligkeit: Weniger Aufwand, mehr Vernetzung

Wenn durch temporäre Vernetzung ähnliche Ziele erreicht werden können wie durch beständige Netzwerke (abgesehen von der Langlebigkeit), wieso dann nicht für jedes Anliegen ein neues Vernetzungsvorhaben anstoßen? Möglich ist das und auch gar nicht so unüblich – nur ist diese Herangehensweise höchst ineffektiv. Am meisten Zeit und Aufwand erfordert die Startphase, in der die Initiativen gebündelt werden und sich langsam Vertrauen aufbaut - die wichtigste Ressource jedes Netzwerks. Nach dem Kennenlernen folgen Aushandlungsprozesse: welche Ziele man auf welche Art und Weise erreichen will, wie man kommuniziert usw. Diese notwendige Phase, in der die Vernetzung und all ihre Effekte noch nicht zum Tragen kommen, kann anstrengend und konfliktreich sein. Erst danach können die Initiativen echten Mehrwert aus dem Netzwerk ziehen. Viele Initiativen(vertreter*innen) werden den Aufwand auch nur auf sich nehmen, wenn sie wissen, dass sich dies langfristig lohnt, da nur so ein ausgewogenes Verhältnis zum Mehrwert erreicht werden kann.

Demnach ist zwingend davon abzuraten, immer wieder - für jede größere Demo, neue politische Brennpunkte, gemeinsame Vorhaben usw. - einen neuen Vernetzungsprozess anzustoßen, der anfangs vor allem Zeit und Kraft raubt. Viel effektiver ist es, eine Vernetzungsstruktur langfristig anzulegen und das Netzwerk über die Startphase hinaus in die Konsolidierungsphase zu führen, in der die erwünschten Effekte auftreten. Solch ein Netzwerk ist auch viel besser und schneller in der Lage, auf neue Reize zu reagieren. Anders ausgedrückt: Wenn es ein wirkmächtiges Netzwerk oder Bündnis braucht, ist es meistens viel zu spät, um mit dem Schmieden anzufangen.

Typen von Netzwerken

Je nachdem, welche Ziele mit welchen Strukturen und Prozessen verfolgt werden, lassen sich zwei Typen von Netzwerken unterscheiden. Dies soll nicht als scharfe Trennung missverstanden werden, sondern ist als Kontinuum oder Spektrum zu verstehen, auf dem Netzwerke verortet werden können. Diese Einordnung hilft dabei, sich über spezifische Stärken und Herausforderungen klarzuwerden. Grundsätzlich ist keines der beiden Netzwerke besser oder schlechter als das andere, sondern es gilt zu evaluieren, welcher Typ am besten für die eigene Stadt oder Region passt (s. Bedarfserfassung).


Idealtypische Gegenüberstellung (was eigentlich ein Kontinuum ist)
Kommunikationsnetzwerke Ko-Produktionsnetzwerke
Ziele
  • Begegnung und Kennenlernen
  • Austausch und Vernetzung
  • Aktivitäten abstimmen
  • Optional: Sichtbarkeit steigern

Zusätzlich:

  • Kräfte/Ressourcen bündeln
  • Gemeinsame Aktivitäten planen und umsetzen
Charakter des Netzwerks Plattform Bündnis
Verbindlichkeit Gering (niedrigschwellige Beteiligung) Mittel bis hoch (höherschwellige Beteiligung)
Größe Tendenziell größer, nach oben hin offen Tendenziell kleiner[2]
Kommunikationskanäle Häufig hybrid oder rein digital (Online-Plattformen) Persönlicher Austausch hat hohen Wert,
ggf. ergänzt um digitale Tools (Kommunikation + Projektmanagement)
Rolle des Kernteams Quasi Dienstleistungsanbieter Prozessbegleitung und Vermittlung
Wirkung Kann bei beiden klein oder groß sein – abhängig von vielen Faktoren


Kommunikationsnetzwerke

Ziele und Charakter: Kommunikationsnetzwerke sind dadurch gekennzeichnet, dass sie vor allem dem Ziel dienen, den Austausch und die Vernetzung zwischen den Initiativen zu fördern (die Bündelung dieser ist hierfür die Voraussetzung). Ein weiteres Ziel kann die Steigerung ihrer Sichtbarkeit sein, z. B. durch einen gemeinsamen Veranstaltungskalender oder eine Karte. Damit haben sie häufig den Charakter einer Plattform.

Struktur: Kommunikationsnetzwerke sind niedrigschwelliger, da es "nur" darum geht, sich auszutauschen und die Aktivitäten zu koordinieren. Weitere Effekte wie gemeinsame Projekte können folgen, werden aber tendenziell nicht von allen im Netzwerk getragen, sondern von einzelnen Initiativen, die durch den Austausch gemerkt haben, dass sie viele Gemeinsamkeiten und Synergiepotentiale haben.

Kommunikation: Durch die geringe Verbindlichkeit können Kommunikationsnetzwerke sehr groß werden. Kommunikationsnetzwerke sind daher vor allem in (mittel-)großen Städten (Lebendiges Lüneburg) oder Regionen (steiermark.gemeinsam.jetzt) zu finden. Ab einem bestimmten Punkt eignen sich digitale Tools mindestens als Ergänzung zu Präsenzvernetzung, wenn nicht sogar als einziger Kommunikationskanal (wie z. B. bei Stadtgestalten Rostock/Stadtimpuls Greifswald).

Rolle der Initiativ-/Kerngruppe: Die Initiativ- bzw. Kerngruppe nimmt in einem Kommunikationsnetzwerk häufig die Rolle der Dienstleistungsanbieterin ein, die z. B. eine Online-Plattform zur Verfügung stellt und/oder zu Vernetzungstreffen einlädt – in der Hoffnung, dass die Angebote von den Initiativen angenommen werden (Voraussetzung hierfür ist wiederum eine gründliche Bedarfserfassung und die gemeinsame Formulierung von Zielen).

Ko-Produktionsnetzwerke

Ziele und Charakter: In ihren Zielen gehen Ko-Produktionsnetwerke über Kommunikationsnetwerke hinaus. Hier sind Vernetzung und Austausch Grundlage dafür, dass gemeinsame Aktivitäten geplant und umgesetzt werden. Es geht darum, die Kräfte und Ressourcen der einzelnen Initiativen zu bündeln und gemeinsam größeres zu erreichen. Dabei kann das Netzwerk als eigener (politischer) Akteur auftreten – zum Teil mit dem Charakter eines Bündnisses, das als gemeinsame Stimme der beteiligten Initiativen spricht.

Struktur: Die Verbindlichkeit ist in Ko-Produktionsnetzwerken höher, da man sich auf konkrete gemeinsame Ziele und Schritte zur Erreichung dieser einigen muss, nicht selten im Konsens. Ermöglicht wird dass entweder durch eine geringere Anzahl an beteiligten Initiativen, die ein hohes Maß an Vertrauen untereinander aufbauen können (z. B. fairEInt Eichstätt), oder durch einen "Minimalkonsens" zwischen vielen verschiedenen Akteur*innen (z. B. München muss handeln).

Kommunikation: Da Vertrauen in Ko-Produktionsnetzwerken eine besonders große Rolle spielt, reicht eine gemeinsame Online-Plattform in der Regel nicht aus, sonders es braucht regelmäßige persönliche Treffen (Präsenz oder Videokonferenz). Gleichzeitig können digitale Tools eine große Bereicherung sein, da sie Kommunikation zwischen den Treffen ermöglichen und das Projektmanagement für die Planung gemeinsamer Aktivitäten erheblich vereinfachen können.

Rolle der Initiativ-/Kerngruppe: Die Aufgabe der Initiativ- bzw. Kerngruppe ist es, zwischen den Vernetzungs- oder Bündnisprozess aktiv zu begleiten und zwischen den Initiativen zu vermitteln. Indem es ein Kernteam gibt, das sich um organisatorische Aufgaben kümmert, haben die Initiativen während der Treffen mehr wertvolle Zeit für inhaltliche Auseinandersetzung und die Planung gemeinsamer Vorhaben.

Ansätze und Herausforderungen

Häufig wird das Vorhaben, eine lokale oder regionale Vernetzungsstruktur aufzubauen, von Einzelnen oder einer Initiativgruppe vorangeschoben. Das anfängliche Konzept und die spätere Entwicklung können sich dabei genauso stark unterscheiden wie die Ansätze, die an verschiedenen Orten praktiziert werden. Ihnen ist gemeinsam, dass die Etablierung einer Vernetzungsstruktur kein triviales Unterfangen ist, sondern mit spezifischen Herausforderungen einhergeht (s. häufige Ursachen des Scheiterns).

In diesem Wiki stellen Vernetzungsinitiativen sich und ihre persönlich erlebten Herausforderungen vor, um voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren. Dies soll vor allem Praxisakteur*innen dabei helfen, selbst eine neue Vernetzungsstruktur ins Leben zu rufen. Von den ersten Schritten ausgehend werden dafür konkrete Handlungsempfehlungen gegeben.

Anmerkungen

  1. Fischer, Jörg (2018): Wirkung in lokaler Netzwerkarbeit. Was Beteiligte darunter verstehen und warum es einer Wirkungsdiskussion bedarf – eine explorative Studie mit Praxisempfehlungen. Hg. v. Bertelsmann Stiftung. Online verfügbar unter https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/90_Synergien_vor_Ort/Studie_Wirkung_in_Netzwerkarbeit_FIN.PDF, zuletzt geprüft am 04.03.2021.
  2. Wie immer bestätigen Ausnahmen wie München muss handeln hier die Regel.
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