Bedarf erfassen
Aus INOVe
Da die Gegebenheiten an jedem Ort andere sind, gibt es kein einheitliches Vernetzungskonzept, welches für jede Stadt und jede Region passt. Vielmehr kommt es auf eure Bedarfserfassung an: Woran mangelt es bei euch vor Ort? Und was sind die Initiativen bereit zu machen und zu nutzen?
Was gibt es schon
Nichts raubt mehr Kraft als Doppelstrukturen. Um diese zu vermeiden, ist es wichtig, dass ihr von Anfang an schaut, was es schon gibt: Wo und wie vernetzen sich Akteure bei euch bereits? Gibt es Netzwerke oder Kooperationen? Oder gibt es möglicherweise schon Kanäle oder Plattformen, auf denen Initiativen und/oder deren Aktivitäten (Veranstaltungen) gebündelt zu finden sind?
Haltet im Zuge eurer Recherche die Augen nach solchen Ansätzen offen. Wenn ihr auf Akteure stoßt, die bereits vernetzend tätig sind, könnt ihr sie direkt kontaktieren. Je eher ihr euch kennenlernt und abstimmt (bestenfalls sogar verbündet), desto besser werden die Lösungen, die ihr entwickelt. Eine umfassende Akteurs- und Netzwerkanalyse ist aufgrund begrenzter Kapazitäten in der Regel nicht möglich, kann aber durch eine Umfrage ersetzt werden (siehe unten).
Fragt nach dem Bedarf
Wenn ihr so ein Projekt startet, bringt ihr eigene Vorstellungen mit, woran es mangelt und was es entsprechend braucht. Möglicherweise treibt euch die Vision von regelmäßigen Treffen, bei denen die Initiativenvertreter*innen sich intensiv austauschen und gemeinsame Kampagnen planen; oder ihr wünscht euch eine Online-Plattform, auf der die Aktivitäten und Inhalte aller Gruppen zusammenkommen. So wirkmächtig diese Ansätze auch sein können - eure Wahrnehmung muss nicht mit den Wünschen der Initiativen übereinstimmen. Ob aus der Theorie auch Praxis wird, hängt letztendlich nicht nur davon ab, wie gut euer Netzwerk-Konzept oder wie leistungsstark eure Plattform-Software ist, sondern vor allem davon, wie gut das Vernetzungsvorhaben aufgenommen wird.
Um den Bedarf zu erfassen, ist es am besten, direkt mit den Gruppen oder einzelnen Vertreter*innen zu sprechen. Erzählt ihnen von eurer Problem-Diagnose und was ihr dagegen tun wollt. Noch wichtiger ist aber, dass ihr zuhört, was die Empfänger*innen der Botschaft darüber denken. Wenn sie mit Blick auf eure Vision skeptisch sind, sollte euch das nicht demotivieren, da Neues häufig Zweifel auslöst. Vorgebrachte Bedenken können euch aber helfen, die Situation besser einzuschätzen und Aspekte in den Blick zu fassen, an die ihr bisher nicht gedacht habt (z. B. potentielle Hürden bei der Umsetzung oder relevante Akteure).
Anstatt die einzelnen Gruppen einzeln abzuklappern oder nur diejenigen zu fragen, von denen ihr Mitglieder persönlich kennt, bietet sich das erste Vernetzungstreffen als Rahmen an. Hier könnt ihr Problem-Diagnose und Lösungsansatz einmal gut vorbereitet vorstellen und im Anschluss mit allen anwesenden Gruppen darüber diskutieren.
Umfrage
Eine Umfrage unter den Initiativen, die ihr vernetzen wollt, ermöglicht es euch, von vielen der Gruppen zu erfahren, wie groß das Interesse an welchen Vernetzungsformaten ist. Zudem könnt ihr damit eine grobe Netzwerkanalyse durchführen, indem ihr erfragt, zwischen welchen Gruppen es bereits Kooperationen gibt oder gab. Die frühe Beteiligung der Gruppen in den Prozess kann euch später dabei helfen, auf größere Akzeptanz zu stoßen. Gleichzeitig informiert ihr über euer Vorhaben, könnt potentielle Vernetzungsformate umreißen und dadurch Interesse wecken. Bestenfalls gelingt es euch dadurch auch, Mitglieder für eure Initiativgruppe zu gewinnen.
Vorbereitung
Die Voraussetzung für eine Umfrage ist, dass ihr schon von einigen Gruppen wisst und die Kontaktdaten habt. Wenn ihr eure Initiativenübersicht z. B. als Online-Tabelle führt, könnt ihr diese mit versenden und darauf hoffen, dass sie fleißig gefüllt wird. Bevor ihr anfangt, euch Fragen auszudenken, solltet ihr euch überlegen, welches Format die Umfrage haben soll (online, Print oder beides) und wer sie ausfüllen soll (Einzelpersonen oder die Gruppe gemeinsam).
- In der Regel empfiehlt sich eine Online-Umfrage, da Versand, Rückversand und Auswertung hier deutlich leichter fallen; bei Bedarf können immer noch gedruckte Exemplare verteilt werden. Als Online-Umfrage-Software erfüllt Google Forms als anscheinend einziges kostenloses Tool alle Anforderungen. Falls ihr Zugang zu einer anderen, gleich guten aber ideell weniger bedenklichen Option haben solltet, ist hier natürlich zuzuraten.
- Als Adressat*innen scheinen Einzelpersonen besser geeignet; diese können die Umfrage subjektiv ausfüllen, anstatt dass Gruppen sich über jede Frage abstimmen müssen. Außerdem könnt ihr mehr Antworten erhalten, wenn mehr als eine Person pro Gruppe teilnimmt.
Ebenfalls früh Gedanken machen solltet ihr euch darüber, wie ihr die Umfrage verschickt und welche Abgabefrist ihr setzt (mind. 14 Tage sollten es wohl sein). Eine persönliche Erklärung und Einladung ist hierbei verbindlicher als lediglich eine E-Mail. Daher eignet sich euer erstes Vernetzungsstreffen besonders, um die Umfrage vorzustellen und sie davor (mit der Einladung) und/oder danach (mit der Nachbereitung) zu versenden. Ihr könnt die Umfrage auch beim Treffen in gedruckter Form austeilen und am Ende wieder einsammeln, um sicherzugehen, dass die Anwesenden sie auch wirklich ausfüllen und nicht vergessen (der Nachteil beim direkten Wieder-Einsammeln ist, dass einige Fragen möglicherweise etwas Bedenkzeit oder interner Absprache bedürfen).
Inhalt der Umfrage
Beginnen sollte eure Umfrage mit einem kurzen Einführungstext, worum es überhaupt geht. Da die Ausfüllenden selbst in Initiativen engagiert sind und vermutlich eine Vorstellung mitbringen, sollte es genügen, eure Idee grob zu umreißen. Für weitere Erklärungen ist später immer noch Zeit, aber schreckt die Teilnehmer*innen nicht mit zu viel Text ab.
Bei den einzelnen Fragen könnt ihr euch an dieser Muster-Umfrage orientieren. Beachte dabei die Anmerkungen, die durch die hochgestellten Ziffern[1] am Ende einer Frage dargestellt werden.
Allgemeine Angaben am besten direkt zu Beginn erfassen.
- 1. Welcher Initiative gehörst du an?[2]
Am Anfang könnt ihr den Status Quo abfragen (quasi eine grobe Netzwerkanalyse).
- 2. Wie schätzt du den aktuellen Grad der Vernetzung zwischen Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit in eurer Stadt/Region ein?[3]
- 3. Wie oft habt ihr in den letzten 6/12 Monaten mit einer anderen Initiative kooperiert bzw. ein gemeinsames Projekt durchgeführt. Bitte gib an, mit welcher Initiative und wobei ihr kooperiert habt.
Wenn ihr genug zum Ist-Stand wisst, könnt ihr den Bedarf abfragen. Die abgefragten Funktionen entsprechen verschiedenen Vernetzungsformaten, die ihr je nach Bedarf einsetzen und kombinieren könnt.
- 4. Als wie sinnvoll würdest du es einschätzen, wenn die Initiativen in unserer Stadt/Region[4] folgende Funktionen nutzen könnten?[5]
- 4.1 Veranstaltungen untereinander abstimmen
- 4.2 Mitteilungen untereinander teilen (z. B. Ankündigungen, Fragen, Ideen usw.)
- 4.3 Ressourcen aller Art untereinander teilen (Angebote und Gesuche erstellen, Übersicht mit ausleihbaren Ressourcen)
- 4.4 Wissen und Erfahrungen zu Ehrenamt und Aktivismus sammeln
- 4.5 An gemeinsamen Projekten und Kampagnen zusammenarbeiten
- 4.6 Öffentliche Sichtbarkeit der Veranstaltungen steigern
- 4.7 Karte mit lokalen/regionalen[4] Initiativen und Projekten (Überblick mit Infos und Kontakt)
- 4.8 Regelmäßige Benachrichtigung für interessierte Bewohner*innen unserer Stadt über Aktivitäten der Initiativen
- 4.9 Interessierten die Möglichkeit bieten, die passende Initiative zu finden
- Abschließend könnt ihr um Anmerkungen in Form eines offenen Textes bitten.
- Falls ihr noch keinen Namen für eure Vernetzungsstruktur habt, könnt ihr natürlich auch um Namensvorschläge bitten.
- Fragt zudem nach den Kontaktdaten, damit ihr die Teilnehmer*innen erreichen und über Neuigkeiten in Kenntnis setzen könnt (sofern sie einverstanden sind).
- Ein Aufruf zur Mitwirkung in eurer Initiativgruppe rundet die Umfrage ab.
Auswertung
Falls am festgesetzten Ablaufdatum genügend Antworten bei euch eingegangen sind, könnt ihr euch an die Auswertung machen. Andernfalls empfiehlt es sich, die Frist zu verlängern und alle Säumigen an die Umfrage zu erinnern (wenn möglich, am besten direkt, z. B. telefonisch). Bei einer Online-Umfrage habt ihr den Vorteil, dass alle Antworten automatisch gezählt werden, bei einer Print-Umfrage bleibt dieser Arbeitsschritt euch überlassen. Wichtiger ist aber ohnehin die Interpretation der Ergebnisse; die Diskussion darüber kann leicht ein ganzes Treffen eurer Initiativgruppe in Anspruch nehmen. Der ermittelte Bedarf hilft euch dabei, ein maßgeschneidertes Konzept für die Vernetzungsstruktur in eurer Stadt oder Region zu entwerfen. Falls Menschen in der Umfrage angegeben haben, dass sie sich bei euch in der Initiativgruppe einbringen möchten, ist es nun auch an der Zeit, sie zu kontaktieren und einzuladen.
Bewusstsein für frühere Vernetzungsvorhaben
Vermutlich seid ihr nicht die Ersten mit der Überzeugung, dass die Vernetzung der Initiativen bei euch vor Ort doch eine gute Idee wäre. Ihr müsst davon ausgehen, dass es früher schon Vernetzungsvorhaben gab. Entsprechende Erfahrungen bringen die Akteur*innen diesbezüglich mit. Frühere Anläufe können erfolgreich gewesen sein, sind aber vielleicht auch aus verschiedenen Gründen gescheitert. Seid euch daher bewusst, dass einige Menschen möglicherweise enttäuschende Erfahrungen gemacht haben. Dies kann unter anderem erklären, weshalb einige Adressat*innen vielleicht skeptisch und pessimistisch sind, was eure Idee angeht. Wichtig ist, dass ihr klar kommuniziert, was ihr besser machen wollt. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass darüber informiert seid, was es schon gab.
- ↑ Beispiel für eine Anmerkung
- ↑ Falls sich eure Umfrage wie empfohlen an Menschen richtet, die sich bereits engagieren.
- ↑ Z. B. als Skala mit fünf/sieben Stufen: "Ausgezeichnet vernetzt" bis "Gar nicht vernetzt"
- ↑ 4,0 4,1 Zutreffendes auswählen
- ↑ Z. B. als sogenannte Matrix, in welcher die Teilnehmer*innen für jeden Punkt auf einer Skala von 1 bis 5 oder 7 einschätzen können, wie sinnvoll sie das fänden.